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Die fremden Freunde – Fragen an alte und neue Städtepartnerschaften
Im Lauf meines – leider! – letzten Zeitzeugenprojektes mit der Geschichtswerkstatt Jena, wenige Monate vor meinem Ausscheiden aus dem Dienst im Bürgermeister- und Presseamt, kam die Rede auch auf das Partnerschaftsdreieck Erlangen-Jena-Wladimir, das seit dem Überfall der russischen Armee auf die Ukraine offiziell auf Eis liegt, während sich schon im Sommer 2022 die Solidaritätspartnerschaft mit Browary bei Kiew erstaunlich rasch entfaltete. Ich erinnerte bei der Gelegenheit im Gespräch mit Daniel Börner, dem Redakteur der Vierteljahresschrift „Gerbergasse 18“ daran, wie in meiner Zeit des Slawistikstudiums in Bamberg die ganzen 1980er Jahre hindurch für alle, die Land und Leute in der UdSSR kannten, die Zeichen auf Annäherung und Verständigung standen, was sich dann bis zur Jahrtausendwende fortsetzte und bestätigte. Seit dem Amtsantritt von Wladimir Putin freilich, so kurz zusammengefaßt, sei alles Bemühen im zivilgesellschaftlichen deutsch-russischen Austausch immer mehr zu einem Trotzdem geworden.
Der Gast aus Jena wurde hellhörig und bat mich um einen Beitrag für das Jenaer Periodikum. Aber gut Ding will Weile haben. Ich bat um Bedenkzeit, versprach aber, in meinem nicht mehr fernen Ruhestand auf die Sache zurückzukommen. Im Frühjahr 2024 erinnerte mich dann Daniel Börner per E-Mail an meine Zusage: „Ihre Worte zu den abgebrochenen Verbindungen nach Wladimir bzw. Russland beim letzten Treffen im März gingen mir nicht aus dem Kopf (‚Habe ich mich all die Jahre in den Leuten/Partnern getäuscht?‘, ‚Was habe ich übersehen?‘, ‚Hat die Partnerschaftsarbeit der letzten Jahrzehnte gar nichts gebracht/hinterlassen?‘)“
Es dauerte dann noch einige Zeit, bis ich meine Gedanken beisammen hatte und sich in der „Gerbergasse 18“ Platz dafür fand, aber nun sind in der soeben erschienenen aktuellen Ausgabe (Heft 115) auf vier Seiten meine Gedanken unter dem Titel „Die fremden Freunde“ nachzulesen. Für gerade einmal drei Euro und fünfzig Cent erhält man darüber hinaus jede Menge nützlicher Information zur Geschichte der DDR – bis hin zum Beitrag „Fußball hinter Stacheldraht“, das Länderspiel UdSSR gegen Bundesrepublik 1955 aus der Sicht des GULag-Häftlings Roland Bude. Am besten gleich ein Abo abschließen!
An dieser Stelle auch einen herzlichen Dank an meinen Freund und ehemaligen Kollegen Matthias Bettenhäuser aus Jena, der meinen Bericht gegengelesen und noch die eine oder andere Ergänzung beigesteuert hat.
Peter Steger
Slawist/Übersetzer, Erlangen
(Im Bild: Peter Steger im Büro für Internationale Beziehungen der Stadt Erlangen, September 2023. Foto: GWS-Archiv)
Neue Ausgabe der „Gerbergasse 18“ mit Schwerpunkt MENSCHENRECHTE erschienen
Die „Zwölf Artikel der Bauernschaft“ aus dem oberschwäbischen Memmingen vom März 1525 gelten als eine der frühesten Erklärungen der Menschen- und Freiheitsrechte in Europa. Die Betonung von Freiheit und Selbstbestimmung im Forderungskatalog der „Memminger Artikel“ vor 500 Jahren – zehn Jahre nach der „Magna Charta“ und während des Bauernkrieges niedergeschrieben – lesen sich wie eine Vorlage für zukünftige Menschenrechtserklärungen – und als Schlüsseldokument der an Höhepunkten nicht überreichen deutschen Freiheitsgeschichte.
Nach den Verbrechen des Zweiten Weltkrieges und der Schoah kam es erneut zur Formulierung einer elementaren Menschenrechtsproklamation. Am 10. Dezember 1948 wurde in Paris durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte verabschiedet. Der erste der dreißig Artikel lautet: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Brüderlichkeit begegnen.“ Menschenrechte sind keine interne Angelegenheit eines Staates, denn sie sind universell, unteilbar und unveräußerlich.
Aber nur Menschenrechte, die bekannt sind und verstanden werden, können sich entfalten und geschützt werden. Dafür sind Initiativen zur Menschenrechtsbildung unverzichtbar. Wie die Einhaltung der Menschenrechte weltweit gewährleistet und deren Verletzung sanktioniert werden kann, dafür wird bis heute nach effektiven Strategien und wirksamen Instrumenten gesucht. Hierbei sind die Stellung und der Schutz von gesellschaftlichen Minderheiten ein wichtiger Indikator.
Als am 1. August 1975 in Helsinki die dritte und finale Phase der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) mit der Unterzeichnung einer Schlussakte durch 35 Staaten endete, wurde diskutiert, ob sich nur durch ein vertraglich nicht bindendes Abkommen die Menschenrechtslage in den Ländern hinter dem „Eisernen Vorhang“ verbessern würde. Die Kritiker behielten zunächst recht, denn die Menschenrechtsverletzungen endeten nicht. Die Sowjetunion, und mit ihr die DDR, konnte die Konferenz propagandistisch als diplomatischen Sieg feiern. Doch dann geschah, was auch als „Helsinki-Effekt“ beschrieben wird. Immer mehr Bürgerinnen und Bürger beriefen sich auf die in der Schlussakte zugesicherten Menschenrechte, es wurden Helsinki-Gruppen gegründet und Menschen engagierten sich vor Ort für Veränderungen.
Der aktuelle Dokumentarfilm „Der Helsinki Effekt“ des finnischen Regisseurs Arthur Franck blickt humorvoll auf die Konferenz vor 50 Jahren zurück und feiert die „Kunst der Diplomatie“. Aber er scheut den Blick auf die mörderische Gegenwart und erwähnt nur im Abspann, dass die Moskauer Helsinki-Gruppe auf Beschluss der russischen Justiz 2023 aufgelöst werden musste. Während seit dreieinhalb Jahren in Europa ein Vernichtungskrieg tobt und damit Sicherheit und Zusammenarbeit zerstört hat, weil die ebenfalls in Helsinki vereinbarten Grundsätze von Souveränität und Gewaltverzicht missachtet wurden, lässt sich mit dem Abstand von 50 Jahren fragen: Wo ist der „Geist von Helsinki“ geblieben?
Eine Inhaltsübersicht und einige Leseproben finden Sie HIER.
Die aktuelle Ausgabe der „Gerbergasse 18“ (Heft 115) ist im Buchhandel oder DIREKT über die Geschichtswerkstatt Jena erhältlich.
