Aktuelle Meldungen und Veranstaltungen

Meldung vom 29. Dezember 2022

Neue Ausgabe der Zeitschrift „Gerbergasse 18“ mit Schwerpunkt RECHT und GERECHTIGKEIT erschienen

Das berühmte Diktum „Wir wollten Gerechtigkeit und bekamen den Rechtsstaat“, verknüpft mit der Künstlerin und Bürgerrechtlerin Bärbel Bohley, charakterisiert die Auseinandersetzung über Herausforderungen und Grenzen der juristischen Aufarbeitung von SED-Unrecht. Bohley hat am 21. Juni 1995 in einem Vortrag an der Humboldt-Universität ausführlich Stellung zu der verzerrten Fassung ihres Statements genommen und ihre ursprüngliche Intention verdeutlicht, weil „im Laufe des Wiedervereinigungsprozesses Entscheidungen getroffen wurden, die viele Menschen in den neuen Bundesländern als neue Ungerechtigkeiten erlebten“. Sie nannte den Umgang mit Geldern der Partei- und Massenorganisationen, die Entscheidungen der Treuhandanstalt, die Regelung „Rückgabe vor Entschädigung“ oder die Nichtanerkennung von Berufsabschlüssen. Gemeint war der Ausspruch als Erinnerung an die ursprünglichen Ziele im Herbst 1989, verstanden wurde er als Provokation und Angriff. Bohleys Hoffnung lautete: „Das Unrecht aber muss erkannt werden, bevor Rechtsbewusstsein entstehen kann.“ Durch die strafrechtliche Aufarbeitung der diktatorischen Vergangenheit sollte das Vertrauen in die Institutionen wiederhergestellt werden. Aber die, die ihre Vertrauensstellung ausgenutzt und missbraucht hatten, sollten auch zur Verantwortung gezogen werden. Dass diese Aufgaben nicht allein mit rechtlichen Mitteln zu erreichen waren, wusste Bohley, vielmehr ging es ihr darum, „künftig das Entstehen totalitärer Strukturen zu verhindern“. Wenn sich ehemals Verantwortliche pauschal auf Befehlsnotstand und DDR-Recht beriefen, zugleich aber auf Grundgesetz und Rechtsstaatlichkeit pochten, galt ihr das als Beleg für fehlendes Unrechtsbewusstsein, als Symptom für Verdrängung und Beschönigung der Diktatur.
Den unmittelbaren Bezugspunkt bildet das Inkrafttreten des ersten SED-Unrechtsbereinigungsgesetzes im November 1992. Seitdem wurde das Strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz mehrfach novelliert und durch weitere Gesetze und Regelungen ergänzt. Welche Bilanz kann nach 30 Jahren gezogen werden? Mit Beiträgen zur strafrechtlichen Aufarbeitung, zum DDR-Recht als Forschungsgegenstand und zu konkreten Aspekten der Rehabilitierung wird ein vielschichtiges Bild gezeichnet. Die seit 2021 amtierende SED-Opferbeauftragte Evelyn Zupke weist auf bestehende Gerechtigkeitslücken hin und sagt: „Die Gesetze sind gar nicht so schlecht, aber es hapert an der Umsetzung.“

Die neue Ausgabe der „Gerbergasse 18“ (Heft 105) ist im lokalen Buchhandel, ausgewählten Museen/Gedenkstätten oder direkt über die Geschichtswerkstatt Jena erhältlich.

Das Inhaltverzeichnis und Leseproben finden Sie hier.

Meldung vom 09. November 2022

Neue Ausgabe der Zeitschrift „Gerbergasse 18“ mit Schwerpunkt FRIEDEN erschienen

Während vor 40 Jahren die unabhängige Friedensbewegung (in Ost und West) mit der Losung „Frieden schaffen ohne Waffen“ die atomare Abschreckungslogik ablehnte, lässt sich heute fragen: Kann es einen Frieden ohne Waffen geben? Mit dem neuen Heft der „Gerbergasse 18“ wird das Themenfeld Frieden historisch und gegenwartsbezogen betrachtet.

Dem Schwerpunkt ist ein Porträt von Wassyl Stus vorangestellt, einem der bedeutendsten ukrainischen Dichter des 20. Jahrhunderts. Er starb 1985 an den Folgen seiner politischen Haft. Der Jenaer Verein „Poesie schmeckt gut“ hat ihm ein Heft der Lyrikreihe „Versensporn“ gewidmet. Die nachfolgenden Themenbeiträge erweitern den Blick auf die Gefahr einseitiger Friedenspropaganda („Friedensstaat DDR“) und den Mut einzelner, die sich unter den Bedingungen der Diktatur für eine friedliche Welt einsetzten, etwa eine Gruppe in Jena, die sich 1982 formierte und 1983 unter dem Namen „Friedensgemeinschaft Jena“ öffentlich in Erscheinung trat. Die Reaktion der Staatssicherheit hieß Aktion „Gegenschlag“, in deren Folge die Mehrzahl der Mitglieder aus dem Land gedrängt wurde. Zu dieser Zeit hatte Lutz Leibner mit seiner Familie bereits die DDR verlassen. Das Umschlagbild „Mensch-Mauer“ der vorherigen „Gerbergasse 18“ (Heft 103) stammt von ihm, Ende August starb der vielseitige Künstler, dem ein Nachruf gewidmet ist.

Die weiteren Heftbeiträge verbindet auf verschiedene Weise der Freiheitsdrang. Geschildert wird der Kampf zweier Frauen um das Werk des dänischen Philosophen Sören Kierkegaard mit Zensur und Druckgenehmigungsverfahren im „Leseland DDR“, die enge Verbindung aus Jazz und Opposition anhand eines Zeitzeugenberichts, die künstlerische Widerständigkeit einer Freiluftgalerie Ende der 1980er Jahre in Jena, sowie die pure Sehnsucht nach Freiheit, die nach dem Mauerbau auch Fluchtversuche über die Ostsee auslöste. Nach bisherigem Kenntnisstand versuchten rund 5600 Menschen, über die Ostsee in den Westen zu fliehen. Die Mehrzahl von ihnen, etwa 80 Prozent, wurden bereits im Vorfeld festgenommen. Ein Greifswalder Forschungsprojekt „Todesfälle bei Fluchtversuchen über die Ostsee“ führte seit 2019 intensive Recherchen zu allen bekannten Opfern des DDR-Grenzregimes an der Ostsee durch und ermittelte 660 Fälle.

Besprechungen zum Streifzug „Freie Spitzen“ über den politischen Witz im Ostblock von Bernd-Lutz Lange, zum Filmporträt „Bettina“ über die Liedermacherin Bettina Wegner von Lutz Pehnert und zur Debatte über die DDR-Zusatzrenten ergänzen die Ausgabe.

Inhaltsverzeichnis und Leseproben finden Sie hier.

Die neue „Gerbergasse 18“ (Heft 104) ist im lokalen Buchhandel oder direkt über die
Geschichtswerkstatt Jena erhältlich.

 
 
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